Pfingsten - ein facettenreiches Fest

PXL_20240331_093258874 (Foto: Swantje Kammerecker)
Der Heilige Geist kommt. So könnte man in einem Satz antworten auf die Frage: Was ist Pfingsten? Es gibt aber noch viele andere Anklänge. Festtagsartikel von Bert Missal.
Swantje Kammerecker,
Die Stadt Jerusalem ist voller Pilger, die aus den Kolonien rund um das Mittelmeer kommen und ihre jeweilige Sprache sprechen. Anlass ist das Wochenfest Schawuot. Auf Griechisch heisst es Pentekoste. Daraus hat sich wohl die Bezeichnung Pfingsten entwickelt. 50 bedeutet das. Sieben Wochen (7mal 7 sind 49 Tage) und ein Tag sind 50 Tage nach dem Passa-Fest. Das Passa-Fest erinnert an den Auszug aus der Sklaverei in Ägypten in die Freiheit mit Mose. 50 Tage später am Berg Sinai gibt Mose zur Erhaltung der gewonnenen Freiheit dem Volk Israel die 10 Gebote. Daran erinnert Schawuot. Jesus hatte die 10 Gebote in eigener Autorität ausgelegt, die er ausdrückte mit dem Ausspruch: «Ich aber sage euch».

Zugleich wurde Schawuot / Pentekoste in Jerusalem auch als Erntedankfest gefeiert.
50 Tage nach dem Passa-Fest ist für Christen 50 Tage nach Ostern. 40 Tage nach Ostern wird Auffahrt gefeiert, das Ende der Erscheinungen des Auferstandenen Jesus Christus. Seine Rückkehr zum Himmlischen Vater, von dem er in die Welt gekommen war (Johannes 16, 28), an Heiligabend geboren. 10 Tage später erfüllt sich nach der Apostelgeschichte Jesu Ankündigung (Lukas 24, 49 und Apostelgeschichte 1, 8): Der Heilige Geist kommt.

Geist heisst auf Hebräisch ruach und auf Griechisch pneuma. Beide Worte bedeuten neben Geist auch Wind und Atem. So wird das Haus, indem sich Jesu Freunde treffen, zunächst mit Wind erfüllt. Dann erscheinen Feuerzungen. Simon Petrus bekommt Mut. Er geht raus und hält die erste öffentliche christliche Predigt. Das eigentliche Pfingstwunder ist, dass alle die Worte der Jünger aus Galiläa in ihrer jeweiligen Muttersprache hörten (Apostelgeschichte 2, 7-11). So ist Pfingsten auch eine Gegengeschichte zur Sprachverwirrung, die beim Bau des Turms zu Babel eingetreten ist (1. Mose 11, 7-9).

Mit dieser ersten Predigt des Simon Petrus beginnt die Entwicklung, mit der das Christentum zur Weltreligion geworden ist, innerhalb derer viele Sprachen gesprochen werden. Damit kann Pfingsten auch als Geburtstagsfest der Kirche aufgefasst werden.

So ganz geradlinig und frei von Widersprüchen geht es aber in der Bibel nicht zu. Im Johannesevangelium wird anders und sehr unspektakulär vom Kommen des Heiligen Geistes erzählt. Ohne Wind, Fest, Feuerzungen und Sprachwunder geschieht es unmittelbar durch Jesus Christus: Der Auferstandene bläst die Jünger mit seinem Atem an und sagt: «Empfangt den Heiligen Geist» ( Johannes 20,22). So schlicht kann Kirche und Christentum auch sein. Sehr schlicht, aber deutlich und herausfordernd bis heute ist dazu die Aussage von Paulus in 2. Korinther 3, 17: «Der Herr aber, das ist der Geist; und wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.»

Bert Missal, Pfarrer der Ev.-ref. Kirchgemeinde Netstal